Aufschieberitis ade

Wieso Aufschieben selten was mit Faulheit und öfters was mit Selbstwert zu tun hat.

Aufschieben beschäftigt die Wissenschaft schon länger. Der wissenschaftliche Name dazu heisst Prokrastination.

Wenn wir nicht in die Gänge kommen, wir uns nicht für eine Aufgabe, welche Anstrengungsbereitschaft abverlangt, motivieren können, kann das verschiedene Gründe haben.

Hirntechnisch kann davon gesprochen werden, dass der Belohnungs-Botenstoff Dopamin nicht einschiesst. Dieser Umstand ist für Jugendliche, welche mit schnellen und immer belohnenden Bildwechseln der heutigen Medien aufgewachsen sind, besonders schwierig. Denn das Gehirn hat weniger Toleranz für eintönige und anstrengende Arbeit.

Ausserdem sind Menschen mit hohen Leistungserwartungen und einem zusätzlichen Konzentrationsproblem ebenfalls häufiger der Aufschieberitis-Falle ausgesetzt. Wenn das Gehirn durch eine Unteraktivierung auf schnelle, neue und starke Reize aus ist, fällt es uns schwerer, etwas Monotones zu machen.

Wir kommen nicht in die Gänge, weil wir Angst haben, nicht gut genug zu sein, gerade nicht im Flow sind, das Gefühl haben, wir müssten den richtigen Moment abwarten oder weil wir entscheiden, es würde sich nicht mehr lohnen für 15 Minuten noch das Französisch-Buch auszupacken.

Aufschieben liegt nicht an der Willenskraft

Wie beim Thema der Diäten hat man auch beim Aufschieben oft die Idee, es liege an der Willenskraft, wenn man mit einer Sache nicht beginnt. Diese Theorie ist nicht belegt. Aufschieben hat weniger mit Willenskraft zu tun als mit Gewohnheit. Und genau da kann angesetzt werden. Indem wir die Machbarkeit und die Einfachheit des Lernens erhöhen und die Belohnung an die richtige Stelle setzen. So dass wir uns regelmässig für den Effort, den wir leisten, belohnen.

10 Tipps um das Aufschieben wegzutrainieren

1. Verändere Dein Mindset

Du bist nicht schlecht, willensschwach oder faul, wenn Du aufschiebst. Du hast nur die falschen Verbindungen im Gehirn verknüpft. Wenn Du Dich schlecht fühlst, wirst Du nichts verändern. Schaue Dich also mal so an, wie wenn Du ein Insekt beobachtest: Vermeide, Dich zu kritisieren, und sehe Misserfolge als neue Erfahrungen. Nun schreibst Du 5 Dinge auf Post-It’s, die Du extrem gerne machst. Schreibe dies in einer besonderen Weise auf: «Ich bin ein Mensch, der extrem gerne Goldfische beobachtet», «ich bin ein Mensch, der alles über Drachen wissen will» oder «ich bin ein Mensch, der gerne schnelle Computerspiele spielt». Diese Übung hilft Dir, Dich in einem positiveren Licht zu sehen und liebevoller mit Dir umzugehen. Klebe diese Post-it’s an den Kühlschrank, an den Badezimmer-Spiegel oder an Deine Wand, die Du beim Arbeiten siehst.

2. Vereinfache Dir das Lernen

Achte darauf, den Lernstoff geordnet und griffbereit zu haben. Aufgeräumte und gut sortierte Unterlagen erleichtern Dir den Einstieg. Räume alle Unterlagen vom Arbeitsplatz weg, welche Du gerade nicht brauchst. Hilfreich ist eine grosse Rollbox, die Du nach Fächern geordnet unterteilst.

3. Lernen ist Lebenszeit

Schau Dich nach einer schönen Lernumgebung um. Beginne mit einem Ritual, zünde Deine Lernkerze an, bereite Dir einen Lerntee zu, stell Deine Wasserflasche bereit. Suche Dir einen Platz aus, an dem Du gerne lernst und trotzdem vor Ablenkungen geschützt bist.

4. Verbanne Handy und Co. von Deiner Lernumgebung

Lege den Laptop und das Handy ausser Reichweite. Wenn Du am Tablet arbeiten musst, drucke Dir die Unterlagen aus. Jedes Mal, wenn Du dem Versuch widerstehst, beim Lernen aufs Handy zu schauen, stärkst Du Deine Konzentration. Das Gehirn hat begrenzte Ressourcen. Checkst Du beim Lernen Deine Nachrichten oder surfst kurz im Internet, braucht Dein Gehirn extrem viel Hirnenergie, um wieder zur Aufgabe zurückzukehren. Nach 3-5 Mal ist Dein Gehirn etwa so ermüdet wie bei einer Stunde Lernen. Falls Du auf Medien nur schwer verzichten kannst, versuche es mit folgenden Apps: «Study with me» oder «Plant» können Dir helfen zu arbeiten, ohne auf das Handy oder auf den Computer zuzugreifen. Die Belohnung für Deine Arbeit kann danach der Gebrauch des Handys sein.

5. Lerne in extrem kurzen Etappen

Das Anfangen muss eingeübt werden. Deshalb nimm Dir zu Beginn vor, in kurzen Etappen zu lernen. Übe 3 Mal 10 Minuten Mathematik pro Tag. Lege die 3 Zeitfenster genau fest. Es ist nicht erlaubt, mehr als 10 Min. zu lernen oder die Lernzeit in einem anderen Zeitfenster zu machen. In einer Woche bist Du dann auf 2.5 Stunden Mathematik. Sobald Dir das gelingt, kannst Du die 3 Zeitfenster um 5 Min. erhöhen. Das ist ein grosser Fortschritt. Die wissenschaftliche Arbeit von M. Engberding et al. zeigt, dass Menschen, welche prokrastinieren, von einer Restriktion der Arbeitszeitfenster profitieren.

6. Mache Dir bewusst, dass Kleinvieh auch Mist macht

4 Wörter Englisch pro Tag ergeben 20 Wörter pro Woche und 80 Wörter pro Monat. In 5 Monaten hast Du einen Grundwortschatz von 500 Wörtern. Sobald Du dies gut kannst, entscheide Dich, ob Du nach 5 Min. noch weiter machen möchtest. Nutze die Zeit, wenn Du auf jemanden wartest (Wörter auf einer App lernen, Artikel zum Lesen im Bus, Zwischenstunden nutzen). Somit hast Du mehr Freizeit.

7. Verknüpfe ein Lernziel mit einer Tätigkeit

Es ist hilfreich, das Lernen mit einer gewohnten Tätigkeit zu verbinden. Z.B. «Immer nach dem Klobesuch, lerne ich 5 Vokabelkärtchen». «Immer wenn ich mir einen Kaffee / Tee zubereite, schaue ich die Zusammenfassung für Geschichte an». «Nach dem Essen nehme ich mir Zeit, um 20 Min. die Deutschunterlagen von heute anzuschauen und ein Lernkärtchen daraus zu machen». Diese Rituale kannst Du Dir als Post-it’s an die verschiedenen Orte in der Wohnung hinhängen und sogleich die Unterlagen dort hinlegen.

8. Body Doubling

Lerne Trittbrett-Fahren. Mit dem Lernen anzufangen, gelingt Dir einfacher, wenn die Rahmenbedingungen schon durch andere Mitmenschen gegeben sind. Triff Dich regelmässig nach der Schule in der Mensa oder in der Bibliothek mit Kolleg:innen und lerne dort, anstelle alleine zuhause. Der Vorteil ist zudem, dass Du mit Deinen Kolleg:innen danach gemeinsam noch etwas unternehmen kannst.

9. Belohne Dich

Bevor Du zu lernen beginnst, überlege Dir eine Belohnung, welche Du nach dem Lernen umsetzt. Plane dies im Voraus. Fixiere mit Deinen besten Freund:innen ein Treffen, freue Dich auf den anschliessenden Netflix-Film oder den Online-Games, die Du nach dem Lernen spielst. Wenn Du etwas mit anderen Menschen unternimmst, steigt zusätzlich Dein Effort, weil Du Deine Arbeit wirklich in dem vorgegebenen Zeitfenster erledigen willst.

10. Mache Dir den Stress, den Du auf später verschiebst, bewusst

Wenn wir Arbeiten aufschieben und stattdessen andere Dinge tun, dann vermeidest Du kurzfristig Stress. Langfristig wirst Du aber merken, dass Du eigentlich immer im Stress läufst, weil das schlechte Gewissen bei jeder anderen Tätigkeit mitschwingt. Ausserdem wirst Du langfristig grösseren Stress haben, wenn Arbeiten nicht zur richtigen Zeit abgegeben werden oder Du nicht optimal auf eine Prüfung vorbereitet bist. Wie würde sich der Stress verändern, wenn Du heute für 5 Min. mit Deiner Aufgabe beginnst?

Übrigens bieten wir in Kürze extra für Dich einen Kurs zu diesem Thema an. Dort lernst Du zusammen mit uns, wie Du am besten in die Gänge kommst. Interessiert? Schau regelmässig auf unsere Page oder melde Dich über das Kontaktformular für weitere Informationen!